I.
„Die Schule (…) behielt für mich alle die Jahre (…) die Schwüle einer Zwangsanstalt. Wieviel von meinem Leiden und meiner Verbitterung, neben meinen eigenen Fehlern, der ganzen Erziehungsart zur Last fällt, kann ich nicht beurteilen; aber in den acht Jahren, welche ich in den niederen Schulen zubrachte, fand ich nur einen einzigen Lehrer, den ich liebte und dem ich dankbar sein kann. Wer die Kindesseele ein wenig kennt und selber einen Rest ihrer Zartheit sich bewahrt hat, der kennt das Leiden, dessen ein Schulknabe fähig ist, und zittert noch in Scham und Zorn, wenn er sich der Roheiten mancher Schulmeister erinnert, der Quälereien, der berührten Wunden, der grausamen Strafen, der unzähligen Schamlosigkeiten. Wahrlich, ich meine nicht die fleißige Rute (…); ich meine aber die Frevel, die an dem Glauben und dem Rechtssinn des Kindes geschehen, die rohen Antworten auf schüchterne Kinderfragen, die Gleichgültigkeit gegen den Trieb der Kindheit nach einer Einigung ihrer stückweise erworbenen Kenntnis der Dinge, den Spott als Antwort auf kindergläubige Naivitäten. Ich weiß, daß ich nicht allein in solcher Weise gelitten habe und daß mein Unwille darüber und meine Trauer um zerstörte und verkümmerte Teile meiner jungen Seele nicht die Verbitterung eines nervösen Einzelnen ist; denn ich habe von vielen diese Klagen gehört.“ (Hesse 1896, 236f.)
Dieser Text entstand um 1896. Hermann Hesse hat ihn geschrieben und mit der Überschrift „Meine Kindheit“ versehen.